Blog Layout

Disquotale Gewinnausschüttungen im Einklang mit der Finanzverwaltung

Jakob Eisenreich • 1. Oktober 2024

Das Bundesfinanzministerium definiert mit seinem Schreiben vom 04.09.2024 einen rechtssicheren Anwendungsbereich für die Gestaltung disquotaler bzw. inkongruenter Gewinnausschüttungen.

Regelungsinhalt


Das Bundesfinanzministerium definiert mit seinem Schreiben vom 04.09.2024 einen rechtssicheren Anwendungsbereich für die Gestaltung disquotaler bzw. inkongruenter Gewinnausschüttungen.


Die disquotale oder auch inkongruente Gewinnaufteilung zwischen Gesellschaftern einer Personengesellschaft wird seit langem fest in der Vertragspraxis verankert und im Regelfall als Tätigkeitsvergütung, Gewinnvorab oder Präferenzentnahme betitelt. Aber auch im Bereich der Kapitalgesellschaften hegen Gesellschafter in bestimmen Situationen den Wunsch, den Gewinn ihrer GmbH auf Gesellschafterebene abweichend von den jeweils vorliegenden Beteiligungsverhältnissen zu verteilen. Der Bundesfinanzhof hat sich in seiner jüngeren Rechtsprechung ausdrücklich zur steuerlichen Anerkennung derartiger disquotaler oder inkongruenter Gewinnverteilungen unter gewissen Voraussetzungen bekannt, dem schließt sich nunmehr auch die Finanzverwaltung mit dem neuen BMF-Schreiben vom 04.09.2024 an (Az.: IV C 2 - S 2742/19/10004 :003).


Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung von disquotalen Gewinnausschüttungen ist die zivilrechtlich wirksame Verankerung einer (a) bestimmten modifizierten Gewinnverteilung oder einer (b) sog. Öffnungsklausel für alljährlich zu fassende Ergebnisverwendungsbeschlüsse mit disquotaler Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag einer GmbH (§ 29 Absatz 3 Satz 2 GmbHG). In letzterem Fall müssen insbesondere die durch die disquotale Ausschüttung benachteiligten Gesellschafter zustimmen.


Anwendungserweitert können nunmehr auch sog. satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse über punktuell vorzunehmende disquotale Gewinnausschüttungen (als Einzelakt) rechtswirksam und steuerlich anzuerkennend vorgenommen werden (BMF, Rn. 4). Eine dauerhaft disquotale Gewinnverteilung ist mittels satzungsdurchbrechenden Gesellschaftsbeschlüssen nicht zulässig, hierfür muss eine notariell beurkundete Satzungsänderung erfolgen.


Im Fall einer Aktiengesellschaft ist der Gestaltungsspielraum eingeschränkter und der Grundsatz der Satzungsstrenge gilt ungebrochen. Demnach sind inkongruente Gewinnausschüttungen aufgrund einer Öffnungsklausel in der Satzung oder eines satzungsdurchbrechenden Hauptversammlungsbeschlusses unzulässig, ausschließlich eine hinreichend bestimmte dauerhafte Modifikation der Gewinnverteilung in der Satzung einer AG (§ 60 Absatz 3 AktG) ist zulässig und steuerlich anzuerkennen (BMF, Rn. 8).


In diesem Kontext ist ebenso die neu geschaffene Möglichkeit zu sehen, nicht nur disquotal an alle Gesellschafter auszuschütten, sondern vielmehr ausschließlich an bestimmte Gesellschafter einer GmbH Gewinne auszukehren, ohne dabei an alle Gesellschafter ausschütten zu müssen. Eine derartige Vorgehensweise wird als gespaltene Gewinnverwendung oder zeitlich inkongruente Gewinnausschüttung bezeichnet (BMF, Rn. 6). Gesellschafter, die quotal nicht an der Ausschüttung teilnehmen möchten, können demnach ihren anteiligen Ausschüttungsanspruch thesaurieren und in eine gesellschafterbezogene Kapitalrücklage einstellen. Ein fiktiver Zufluss derartiger thesaurierter Gewinne, welcher eine Besteuerung der Einkünfte nach §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1 EStG nach sich ziehen würde, und eine anschließend fiktive (Wieder-)Einlage dieser Ausschüttung in die Gesellschaft kann in diesen Fällen nicht angenommen werden (vgl. BFH, Urteil vom 28.09.2021 - Az. VIII R 25/19).


Im vorherigen BMF-Schreiben vom 17.12.2013 (Az.: IV C 2-S 2750-a/11/10001, BStBl. I 2014, S. 63), welches durch das neue BMF-Schreiben vollständig aufgehoben und ersetzt wurde, thematisierte die Finanzverwaltung die Möglichkeit des steuerlichen Gestaltungsmissbrauches in diesem Kontext (§ 42 AO). Die Passagen enthält das neue BMF-Schreiben nicht mehr, dennoch kann weiterhin in bestimmten Ausnahmefällen ein steuerlicher Gestaltungsmissbrauch vorliegen. Die Anzahl möglicher Missbrauchsfälle sollten jedoch äußerst überschaubar ausfallen.

 

Fazit


Für die steuergestaltende Vertragspraxis bringt das neue BMF-Schreiben zu disquotalen bzw. inkongruenten Gewinnausschüttungen erhebliche Rechtssicherheit. Bei Neugründungen oder umfassenden Neugestaltungen von Gesellschaftsverträgen ist grundsätzlich zu empfehlen, Öffnungsklauseln für disquotale Gewinnverteilungen vorab für situative Bedürfnisse im Gesellschaftsvertrag zu verankern und zudem die rechtliche Grundlage für gesellschafterbezogene Kapitalrücklagen zu schaffen. Letztere können auch aus schenkungsteuerlicher Sicht bei inkongruenten Kapitaleinlagen in Familienunternehmen oder Holdings hilfreich erscheinen.




Autor:


Jakob Eisenreich

Dipl.-Wirtschaftsjurist (univ.)

Wirtschaftsprüfer

Steuerberater



Quelle: Link zum BMF-Schreiben vom 04.09.2024


Share by: