Die Zinswende auf den Finanzmärkten war eine notwendige Reaktion der Zentralbanken auf die steigende Inflation. Zuletzt erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf 4,5 % und stellt die heimische Wirtschaft erneut vor wachsende Herausforderungen. Neben unmittelbaren Effekten der neuen Zinslandschaft in Gestalt erheblich angestiegener Finanzierungskosten sind schleichend auftretende Hürden bei Unternehmensnachfolgen und -verkäufen erkennbar.
Am Beispiel des Bundeslandes Bayern in Zahlen dargestellt:
Von den über 500.000 Familienunternehmen in Bayern stehen ca. 30.000 in den nächsten drei Jahren vor der Frage, wie sie ihre Unternehmensnachfolge gestalten (siehe Offensive Unternehmensnachfolge des StmWi Bayern). Umso bedeutender erscheint eine konstruktive Nachfolgekultur für unsere regionalen Unternehmen. Im glücklichsten Fall können Unternehmer ihre Betriebe familienintern in die nächste Generation überführen. Stehen keine Nachfolger zur Verfügung, ist ein Unternehmensverkauf an Externe die naheliegende Alternative; diese Tendenz bestätigt der DIHK-Report „Unternehmensnachfolge 2022“.
Familieninterne Unternehmensnachfolgen werden in der Regel überwiegend unentgeltlich vorgenommen, d.h. die Erwerber haben keinen Kaufpreis zu zahlen, welchen sie bei Banken fremdfinanzieren müssten. Dennoch gehen familieninterne Unternehmensnachfolgen oftmals mit umfassenden Investitionsmaßnahmen durch die Übernehmer einher, wenn Übergeber anstehende Investitionen und Instandhaltungen zeitlich aufgeschoben haben. Deshalb belasten hohe Zinsen oftmals auch familieninterne Vorgänge.
Entscheiden sich Unternehmer für einen Verkauf ihres Unternehmens, gilt es den richtigen Käufer zu finden, der das eigene „Lebenswerk“ oder die „Familientradition“ erfolgreich weiterführen kann. Die allgemeine Käuferstruktur beginnt bei Existenzgründern und führt über Management-Buy-Outs (MBO) bis hin zu strategischen Wettbewerbern oder Finanzinvestoren (Private-Equity, Family Office, Kapitalmarktfonds). Sind konkrete Kaufinteressenten am Tisch, werden Unternehmer oftmals zum ersten Mal mit der Frage konfrontiert, welchen Markt- bzw. Unternehmenswert ihr Unternehmen vorweist. Ein Unternehmenswert ermittelt sich entweder vereinfacht anhand von statistisch erhobenen Branchen-Multiplikatoren, die auf eine nachhaltige Finanzkenngröße angewendet werden, wie z.B. ein EBIT-Multiple (Faktor auf Ergebnis vor Steuern und Zinsen) von aktuell ca. 6,8 bei sog. Small- und Mid-Cap-Transaktionen in der Branche Anlagen- und Maschinenbau oder bspw. von aktuell ca. 11,5 im Bereich Pharma/Healthcare. Neben dieser pauschalen Wertfindung, die häufig lediglich einer indikativen Einschätzung dient, kommen bei Unternehmensverkäufen im Regelfall individuelle Unternehmensbewertungen nach dem Bewertungsstandard der Wirtschaftsprüfer („IDW S 1 - Bewertung“) auf Basis konkreter Finanzpläne zur Anwendung. Eine Unternehmensbewertung nach IDW S 1 ist als belastbare Kaufpreisermittlung und fundierte Verhandlungsgrundlage auf „DACH“-Finanzmärkten anerkannt.
Da sich der Unternehmenswert vorrangig aus der zukünftigen Ertragskraft, d.h. der Eigenschaft, nachhaltig finanzielle Überschüsse zu erwirtschaften, ableitet, kommt dem letzten Jahresabschluss (Bilanz/GuV) sowie der aktuellen Finanzbuchführung (BWA) als Ausgangsgrundlage für die Planung der zukünftigen Ertragslage und als Beurteilungsmaßstab für deren Plausibilität ein äußerst hoher Stellenwert zu. Ist das Unternehmen handelsrechtlich als mittelgroß oder groß einzuordnen, wird der Jahresabschluss jährlich durch einen Wirtschaftsprüfer auf dessen Ordnungsmäßigkeit geprüft. Ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers schafft weiteres Vertrauen in das Zahlenwerk des zu verkaufenden Unternehmens. Daher ist auch kleinen Unternehmen anzuraten, über eine freiwillige Jahresabschlussprüfung nachzudenken. Unabhängig von der Größenklasse sollten sich Unternehmer frühzeitig vor dem Verkauf damit beschäftigen, wie man aus rechtlicher, bilanzieller und steuerlicher Sicht "die Braut aufhübschen" könnte. Klassische Beispiele sind u.a. Patente zu verlängern, unnötige Kosten einzusparen, Bilanzwahlrechte auszuüben oder in gewissen Branchen Leasingverhältnisse auf Finanzierung umzustellen.
Bei Unternehmensbewertungen müssen die gestiegenen Finanzierungszinsen einerseits in der wertbildenden Ertrags- und Finanzplanung ergebnismindernd einbezogen werden. Andererseits erhöhen die gestiegenen Zinsen den Abzinsungsfaktor (Eigenkapitalkosten) der zukünftigen Erträge auf den Verkaufszeitpunkt, sodass Unternehmenswerte allgemein bei steigenden Zinsen finanzmathematisch bedingt sinken. Dieses Prinzip konnte man sinngemäß beobachten, als mit dem „Comeback“ der Festgeldzinsen die Aktienkurse (Unternehmenswerte) drastisch fielen.
Grundlegend erschweren hohe Darlehenszinsen zukünftig die Finanzierungsfähigkeit von externen Unternehmensverkäufen und engen insbesondere für Existenzgründer und MBOs die Handlungsmöglichkeiten erheblich ein. Öffentliche Förderkredite der LFA oder KFW tragen dazu bei, Finanzierungskosten für Nachfolger auf einem erträglichen Level zu halten. Alternative Finanzierungsmöglichkeiten in Zusammenarbeit mit Risikokapitalgebern, staatlichen Beteiligungsgesellschaften, Fonds und Private Equity rücken ebenfalls wieder in den Vordergrund.
Autoren:
Jakob Eisenreich
Dipl.-Wirtschaftsjurist
Wirtschaftsprüfer
Steuerberater
Partner
Zert. Berater für Unternehmensverkäufe/M&A (IFU)
Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV)
Verena Marx
Betriebswirtin
Wirtschaftsprüferin
Steuerberaterin
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